Nicht nur im Agrarbereich ist die Marktkonzentration viel zu weit fortgeschritten. Im digitalen Sektor, der Automobilindustrie und anderen Branchen lassen sich ganz ähnliche Trends erkennen. Letztendlich geht es in allen Bereichen um die Frage, wer das Sagen hat. Demokratische Teilhabe wird durch die wachsende Marktmacht der Konzerne zunehmend untergraben. Der enorme wirtschaftliche Druck, stetig schrumpfende Auswahlmöglichkeiten, Preissteigerungen sowie Versorgungsunsicherheiten treffen dabei vor allem kleine ErzeugerInnen und die ärmere Bevölkerung in den Ländern des globalen Südens.
Die Fusionskontrolle als Teil des Wettbewerbsrechts (neben Kartellrecht und Missbrauchsrecht) ist ein wichtiger politischer Hebel, um Konzentration von Marktmacht zu verhindern. Doch das funktioniert in Deutschland und der EU nicht sonderlich gut: So hat das Bundeskartellamt im Jahr 2015 von 1.169 angemeldeten Fusionen nur eine einzige untersagt und eine weitere unter Auflagen zugelassen. Im selben Jahr hat die EU-Wettbewerbskommission sogar alle 300 Fusionsanträge genehmigt, 18 davon unter Auflagen.
Daher gründete sich Anfang 2018 die Initiative „Konzernmacht beschränken”, die sich der Politisierung des Wettbewerbsrechts und der Verschärfung der Fusionskontrolle verschrieben hat.
Die Forderungen der Initiative „Konzernmacht beschränken“:
- Öffentliches Interesse stärken: Gesellschaftliche Ziele wie soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte, Umweltschutz, Verbraucherschutz und Datenschutz sollten als gleichwertig gegenüber dem Ziel der Wettbewerbsfreiheit im Kartellrecht anerkannt werden. In der Fusionskontrolle sollte eine Abwägung im Hinblick auf das öffentliche Interesse erfolgen.
- Bei übermächtigen Konzernen Geschäftsfelder oder Teile des Konzerns abkoppeln: Dies sollte als Ultima Ratio möglich sein, um mit gesetzlichen Vorgaben die Unabhängigkeit zwischen verschiedenen Geschäftsfeldern herzustellen und/oder den Wettbewerb auf einzelnen Märkten wiederherzustellen („missbrauchsunabhängiges Entflechtungsinstrument“).
- Sektorübergreifende Machtbündelung einschränken: Fusionen über Produktionsstufen hinweg („vertikale Fusionen“) sollten einer schärferen Fusionskontrolle unterstellt werden. Eine Trennung des Saatgut- und Pestizidgeschäfts sollte möglich gemacht werden.
- Niedrigere Marktanteile für Marktdominanz ansetzen: Eine Marktbeherrschung eines Unternehmens sollte bereits ab einem Marktanteil von 20 Prozent vermutet werden (heute: 40 Prozent).
- Anonyme Beschwerdestelle für Missbrauchsfälle einrichten: Dem Bundeskartellamt sollte eine Streitschlichtungsstelle vorgeschaltet werden, die anonym vorgebrachte Missbrauchsfälle untersucht und solche Fälle dokumentieren, ahnden und gegebenenfalls sanktionieren bzw. an das Bundeskartellamt weiterreichen kann. Diese Stelle sollte sich explizit der Belange von Bauern und Bäuerinnen, Verbraucherschützern und Lieferanten annehmen.
- Markttransparenz herstellen: Es sollte Transparenz im Hinblick auf Marktmacht, Besitz- und Firmenstrukturen, Verflechtungen und Patente hergestellt werden.
- Rolle des Parlaments bei Fusionsverfahren stärken: Sonder-Erlaubnisse von Fusionen („Ministererlaubnis“) sollten unter Parlamentsvorbehalt gestellt werden.
- Wettbewerbsbehörden effektiv ausstatten: Die personelle Ausstattung muss ausgebaut werden, damit Unternehmen mit ihren Kartellanwälten nicht die Behörden niederringen können.